Ausverkauf im „Freistaat“ Oege

Längst plant Gerold Vogel die Offensive. Gemeinsam mit dem Hagener Landtagsabgeordneten Wolfgang Jörg (SPD) wird er eine Mieterinitiative gründen. „Ich traue dem Braten nämlich nicht.”

Oege. Zwei Wochen sind vergangen, seit Gerold Vogel den mysteriösen Briefumschlag mit dem Siegel „Streng vertraulich” geöffnet hat. „Ich war sehr überrascht”, sagt er. „Das habe ich wirklich nicht erwartet.”

Kaum drei Jahre nachdem die „Kommunale Wohnen AG” (KWG) aus Hamburg das Haus an der Piepenstockstraße erwarb, in dem der Familienvater seit Jahren lebt, steht das Objekt erneut zum Verkauf. „Wir bieten Ihnen an, Ihre Wohnung zu kaufen. Preise entnehmen Sie bitte der beiliegenden Liste”, heißt es.

Gerold Vogel ist nicht der einzige Mieter, der plötzlich vor einer existenziellen Entscheidung steht: Eigentum, ja oder nein? 36 Objekte im Bereich Ahmer Weg, Am Predigerstuhl, Feldstraße und Piepenstockstraße stehen zum Verkauf — dies entspricht 150 Wohneinheiten. Ein detaillierter Plan, den alle Mieter erhielten, offenbart Miet- und Verkaufspreise.

„Zahlreiche Familien verfügen nicht über die finanziellen Mittel, eine Eigentumswohnung zu erwerben”, sagt Gerold Vogel. „Was geschieht mit ihnen, wenn die Häuser an Dritte verkauft werden? Werden auch die Sonderrechte der älteren Mieter erhalten, die ihnen bei der Übernahme durch die KWG eingeräumt wurden?” Er fordert die Bürger des „Freistaates” auf, Widerstand zu leisten.

Spekulationsobjekt?

„Die KWG hat die Siedlung vielleicht nur als Spekulationsobjekt erworben”, mutmaßt Carsten Wendt, Mitarbeiter des Mietervereins in Hagen. Offenbar habe sich die die Investition nicht rentiert. „Jetzt versucht man, die Objekte wieder abzustoßen. Deshalb macht man es sich leicht und bietet es direkt dem Mieter an”, so Wendt. Panik sei jedoch unangebracht. „Die Mieter haben Rechte — wer auch immer die Immobilien erwerben wird.”

Beunruhigte Mieter

Gerold Vogel ist dennoch beunruhigt. Er kritisiert vor allem „die Art und Weise”, mit der die KWG vorgeht. „Viele Mieter sind im Urlaub und konnten auf das Angebot noch gar nicht eingehen”, sagt er. „Trotzdem finden sich die Häuser schon als Renditeobjekte im Internet.” Zweimal hätten potenzielle Interessenten an der Tür geklingelt, um einen Blick in die Wohnung zu werfen. „Unmöglich”, urteilt Gerold Vogel. Während sich um den Vorsitzenden des ThyssenKrupp-Betriebsrates der Widerstand formiert, bleibt Ivo Mokross, Mitarbeiter der KWG, gelassen. „Ich kann die Ängste der Menschen nachvollziehen”, gesteht er. „Aber es gibt keinen Grund zur Sorge. Ein Verkauf bricht nicht die Rechte der Mieter.” Man habe die Anwohner außerdem schon im November auf die strategische Bereinigung des Portfolios aufmerksam gemacht.

An den Hochhäusern vis-a-vis hält die KWG indes fest. „Man will uns umsiedeln”, spekuliert Gerold Vogel. „Dann wären die Mehrfamilienhäuser frei zum Verkauf.” Eine Vermutung, die Ivo Mokross nicht dementiert: „Wir haben die Hochhäuser saniert und werden sie noch in diesem Monat auf dem Wohnungsmarkt anbieten.”

Offensive geplant

Längst plant Gerold Vogel die Offensive. Gemeinsam mit dem Hagener Landtagsabgeordneten Wolfgang Jörg (SPD) wird er eine Mieterinitiative gründen. „Ich traue dem Braten nämlich nicht.”

Nachdem die KWG unbedarft Miet- und Kaufpreise veröffentlichte, die Häuser online als „Renditeobjekte” anpries und jüngst ein „leuchtendes” Verkaufsschild an der Feldstraße anbringen ließ, sei das Vertrauen geschwunden. „Mittlerweile zweifle ich an der Seriosität der KWG.”